- Nationalsozialismus: Deutschland unterm Hakenkreuz
- Nationalsozialismus: Deutschland unterm HakenkreuzKontinuität und DiskontinuitätDie Regierung vom 30. Januar 1933 war einerseits ein Präsidialkabinett ohne parlamentarische Mehrheit, wie man es in Deutschland seit 1930 gewöhnt war. Neben Hitler als Reichskanzler wurden nur noch zwei Nationalsozialisten mit Ministerämtern betraut. Wilhelm Frick wurde Innenminister und Hermann Göring Minister ohne Geschäftsbereich. Ihm fiel aber eine Schlüsselstellung insofern zu, als er kommissarischer Innenminister in Preußen wurde, dessen Regierung im Juli 1932 im Zuge des von der Regierung Papen veranlassten »Preußenschlags« abgesetzt worden war. Vizekanzler und Reichskommissar für Preußen wurde der 1932 aus dem Zentrum ausgetretene und zu diesem Zeitpunkt parteilose Franz von Papen, der im Vorfeld der Ernennung Hitlers hinter den Kulissen die Fäden gezogen hatte. Nun wollte er Hitler derart in die Ecke drängen, »dass er quietscht«. Parteilos waren auch die meisten übrigen Minister, von denen einige schon den beiden letzten Präsidialkabinetten angehört hatten, sodass ein Moment der Kontinuität gegeben war. Ebenfalls weiterhin im Kabinett vertreten war die DNVP (Deutschnationale Volkspartei) mit zwei Ministern.Andererseits stellte bereits die Tatsache, dass die rechtsradikale NSDAP an der Regierung beteiligt war, ein Moment der Diskontinuität dar. Görings Zugriff auf die Polizei ermöglichte ihre außerhalb des Gesetzes stehende Ausrichtung gegen die innenpolitische Opposition. Gegen sie sollte die Polizei »rücksichtslos von der Waffe Gebrauch machen«. Gleichzeitig sollte die Polizei die »nationalen Verbände« unterstützen. Zu ihnen gehörte in erster Linie die SA, die Privatgefängnisse unterhielt, in denen politische Gegner willkürlich festgesetzt und gefoltert wurden. Abgestützt wurde die Einschüchterung, Behinderung und Verfolgung der Opposition durch die im Zusammenspiel von Reichspräsident und Reichskanzler seit Jahren gängige und am 4. Februar 1933 wieder aufgenommene Notverordnungspraxis, mit der Presse, Parteien und Parlament auf »legale« Weise ausgeschaltet werden konnten. Der Reichstagsbrand am 27. Februar wurde zum Anlass genommen, die Hetzjagd auf die Kommunisten nochmals zu intensivieren. Einen Tag darauf wurden per Notverordnung die Grundrechte der Deutschen außer Kraft gesetzt, was für die nächsten zwölf Jahre so bleiben sollte.Ausschaltung und GleichschaltungDie Bevölkerung war — je nach politischem Standort — in unterschiedlicher Weise betroffen und bewertete die Ereignisse entsprechend. Wer in der kommunistischen oder sozialdemokratischen Arbeiterbewegung organisiert war, sah sich der unmittelbaren Feindschaft des Regimes ausgesetzt oder dem Appell, sich der nationalen Sache anzuschließen. Die Mehrheit der Deutschen begrüßte die neue Regierung. Von ihr versprach man sich eine klare Führung und eine politische Ordnung, die die Belange der Nation ins Zentrum rückte und die gesellschaftlichen Konflikte der Zwanziger- und frühen Dreißigerjahre zu überwinden versprach.Wie die Deutschen gegenüber der Hitler-Regierung und ihrem innenpolitischen Terror eingestellt waren, zeigte sich am 5. März 1933, als auf Hitlers Drängen ein neuer Reichstag gewählt wurde. Hitler ging es nicht um demokratische Legitimation, sondern um plebiszitäre Zustimmung und Stärkung der NSDAP. Dies ist auch durchaus gelungen. Nach einem Wahlkampf voller Übergriffe auf die oppositionellen Parteien erlangte die NSDAP zwar »nur« 43,9 Prozent der Stimmen. Insgesamt aber kam die Rechtskoalition auf 51,9 Prozent. Praktisch unverändert gegenüber der letzten Wahl behaupteten sich die SPD und die Parteien des politischen Katholizismus. Die KPD hatte einen Rückgang um circa eine Million Stimmen zu verzeichnen. Der neue Reichstag, zu dem die kommunistischen Abgeordneten gar nicht mehr erscheinen konnten, weil sie verhaftet worden oder untergetaucht waren, beschloss seine eigene Suspendierung, indem er die Regierung ermächtigte, Gesetze auf dem Verordnungsweg zu erlassen. Allein die SPD stimmte gegen das Ermächtigungsgesetz, das unter dem bombastischen Titel »Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich« geführt wurde. Mit der Ausschaltung des Parlaments im Rücken und gestützt auf die in Kraft bleibenden sowie auf neu hinzukommende Notverordnungen leitete die Regierung eine Politik der Gleichschaltung ein, die binnen kurzer Zeit zum Einparteienstaat führte. Die Länder verschwanden ebenso wie die politischen Parteien und die Gewerkschaften. In großer Zahl gelangten NS-Parteifunktionäre in staatliche und kommunale Ämter. Mit dem Ziel einer Verschmelzung von Staat und Gesellschaft, also der Abschaffung dessen, was zu den Errungenschaften der westlichen Moderne gehörte, entfaltete sich in Deutschland der »Doppelstaat«, das Neben-, aber auch das Miteinander und das wechselseitige Durchdringen von überkommenem »Normenstaat« und nationalsozialistischem »Maßnahmenstaat«.Diese Begriffe stammen von dem deutschen Juristen Ernst Fraenkel, der 1941 im amerikanischen Exil eine der ersten Strukturanalysen der NS-Herrschaft veröffentlichte. Er gehörte zu den über 300000 deutschen Juden, denen es gelang, Deutschland zu verlassen. Nur so entgingen sie dem Tod durch Vernichtung, der die in Deutschland Zurückgebliebenen zusammen mit sechs Millionen Juden aus allen europäischen Ländern in den Kriegsjahren traf. Zu den rassisch kamen die politisch Verfolgten, die zu vielen Tausenden ins Ausland gehen mussten.Die rassenideologischen Ziele des NS-Regimes traten von Anfang an deutlich hervor. Schon im April 1933 kam es zum Boykott jüdischer Geschäfte und zur Entlassung von »nicht arischen« Beamten. Im Juli 1933 wurden Erbgesundheitsgerichte eingerichtet, die über die Sterilisation von erblich Kranken zu entscheiden hatten. 1935 folgten mit den »Nürnberger Gesetzen« die ersten gesetzlichen Maßnahmen zur Diskriminierung und Verdrängung der Juden aus dem öffentlichen und wirtschaftlichen Leben. Im Zuge der »Arisierung« der Wirtschaft bereicherten sich viele Deutsche durch die Übernahme jüdischer Firmen, Kaufhäuser und Banken. Bei der Bevölkerung hat dies sowohl Zustimmung als auch Betroffenheit ausgelöst. Die meisten haben zugesehen und geschwiegen. Nur wenige haben geholfen, auch als die Synagogen am 9. November 1938 brannten und deutschen Juden Gewalt angetan wurde. Wie hätte es auch anders sein können angesichts der Tatsache, dass dem Regime von der Mehrheit der Bevölkerung Zustimmung entgegengebracht wurde, und sei es nur in der Form der stillschweigenden Tolerierung.Sicherung und Ausbau der NS-HerrschaftNicht nur durch Maßnahmen zum Abbau der Arbeitslosigkeit auf eine Million im Jahre 1936, was durch Vergabe öffentlicher Aufträge, Wehrpflicht und Arbeitsdienst erreicht wurde, förderte Hitler die Zustimmung zum Regime, sondern auch durch die Einbindung der nicht nationalsozialistischen Eliten. Von zentraler Bedeutung war Hitlers Entschlossenheit, die in den Augen von Militär und Industrie gefährlichen revolutionären Ambitionen der SA zu bremsen. Ihr Antikapitalismus und ihre Infragestellung des Reichswehr-Establishments mussten das innenpolitische Bündnis vom 30. Januar 1933 zwischen NS-Führung und den Kräften des konservativen Deutschland gefährden. Hitler löste den Gegensatz gewaltsam. Angebliche Putschpläne des SA-Führers Ernst Röhm dienten als Vorwand, am 30. Juni 1934 die SA-Führung zu liquidieren. Die Reichswehr war nicht nur eingeweiht und stellte Lastwagen bereit, um die über tausend SS-Leute an den Ort ihres Einsatzes zu bringen. Sie nahm es auch hin, dass bei dieser Gelegenheit zugleich konservative Kritiker des Regimes wie General Kurt von Schleicher beseitigt wurden. Manche wurden zu Hause oder in ihren Büros erschossen. Andere starben im Konzentrationslager Dachau, das bereits im März 1933 eingerichtet worden war. Wie die Reichswehr ließ sich auch die Justiz in die Ermordung von 89 Menschen involvieren. Im Reichsgesetzblatt war zu lesen, die Liquidierungen seien »als Staatsnotwehr rechtens«. Hitler selbst zögerte in gewisser Analogie zu Mussolinis Verhalten 1925 nicht, sich als »des deutschen Volkes oberster Gerichtsherr« zu bezeichnen. Aus den Universitäten, in der Weimarer Republik ein Zentrum der Republikgeg- ner und schon lange vor 1933 in hohem Maß für NS-Gedankengut empfänglich, war in den Worten Carl Schmitts, eines führenden Staatsrechtlers seiner Zeit, zu hören: »Der Führer schützt das Recht.«Die Mehrheit der Deutschen musste nicht gezwungen werden, ihrem »Führer« zu folgen und dem entstehenden Führermythos zu erliegen. Besonders begeistert zeigte sich Reichswehrminister Werner von Blomberg. Die »Säuberungsaktion« habe gezeigt, dass die Wehrmacht für den »Führer« der »sinnfälligste Ausdruck des Staates« sei. »Nicht zum geringsten in ihrem Interesse hat er so gehandelt, und es ist Pflicht der Wehrmacht, ihm dies durch womöglich noch größere Treue und Hingabe zu danken.« Dazu war bald Gelegenheit. Am 2. August 1934 wurden die Soldaten nach einer Anordnung Blombergs auf Hitler persönlich vereidigt, nachdem Reichspräsident Paul von Hindenburg gestorben war und die Ämter des Reichspräsidenten und des Reichskanzlers von Hitler als »Führer und Reichskanzler« in Personalunion übernommen worden waren.Der Führerstaat war dadurch vollendet. Charakteristisch für ihn war die Verbindung von Altem und Neuem, von traditioneller Staatlichkeit und Gesellschaft auf der einen und dem nationalsozialistischen Traditionsbruch auf der anderen Seite. Im Hinblick auf politische Macht aber begann sich der »Maßnahmenstaat« und damit Hitlers Führung durchzusetzen. Untrügliches Zeichen dafür war die Aufwertung der SS, die bisher der SA-Führung unterstanden hatte, zu einer selbstständigen Organisation innerhalb der NSDAP. Wie sonst nichts symbolisierte die SS mit ihren polizeilichen Kompetenzen und den von ihr überwachten Konzentrationslagern das nationalsozialistische Herrschaftssystem. Aufgrund eines Führererlasses wurde Heinrich Himmler im Sommer 1936 »Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei«, was die Vereinnahmung der staatlichen Polizei durch die SS mit sich brachte.Unterstrichen werden muss aber, dass Deutschland in den Dreißigerjahren noch lange kein SS-Staat war. Die politische Wirklichkeit wurde vielmehr von dem Dualismus von Partei und Staat geprägt, durch das Nebeneineinander staatlicher Bürokratien und Einrichtungen der Partei. Dies führte oft zu einem gewissen Gewirr der Kompetenzen, das noch einmal dadurch gesteigert wurde, dass viele Instanzen auf Parteiebene keineswegs unter dem Aspekt übersichtlicher Arbeitsteilung geschaffen wurden, sondern oft momentanen Bedürfnissen entsprangen und in der Praxis häufig aneinander vorbei oder auch gegeneinander operierten. Wenn Hitler auch im Zentrum des Herrschaftssystems stand und keine Entscheidung von Tragweite gegen ihn getroffen werden konnte, so war die NS-Diktatur doch keine zentralistisch straff gelenkte Diktatur monolithischen Zuschnitts.Nationalsozialistische ZieleNachdem die Macht behauptet und gesichert war, kam es aus der Sicht der NS-Führung darauf an, eigene nationalsozialistische Ziele zu verwirklichen, die die gemeinsamen Interessen von Nationalsozialisten und der traditionellen Rechten sprengten. Die Begriffe Rassismus und Krieg erlauben, sowohl das Maß an Übereinstimmung wie auch die Differenzen zwischen beiden Seiten zu bestimmen. Für viele, die Hitler unterstützten, war es zu radikal, Völkermord und Angriffskrieg zu Programmpunkten zu erheben. Bevor sie aber skeptisch wurden, sich verweigerten oder gar Widerstand leisteten, gingen sie ein gutes Stück des Wegs, der Völkermord und Angriffskrieg einschloss, mit den Nationalsozialisten gemeinsam. Antisemitismus oder ein Überlegenheitsgefühl gegenüber slawischen Völkern war keine Erfindung der Nationalsozialisten. Ebenso stellten Aufrüstung und Großmachtpolitik ein Feld dar, das man gemeinsam bestellen wollte. Aus der anfänglichen Übereinstimmung resultierte die Stabilisierung der Hitlerdiktatur. Ihr Druck richtete sich bald auch gegen die konservativen Bündnispartner Hitlers und nicht nur gegen die gemeinsamen Feinde wie Demokraten und Pazifisten, Sozialdemokraten und Kommunisten, Juden und Zigeuner, Homosexuelle und Erbkranke.Einer der Ersten, der dies merkte, war der Generalsuperintendent der kurmärkischen Kirche, Otto Dibelius. Zunächst war er mit dem Wahlergebnis vom März 1933 überaus zufrieden. Es habe »zum ersten Mal seit der Revolution eine parlamentarische Mehrheit von bewusst nationaler Haltung gebracht«. Was Dibelius interessierte, war vor allem die kirchliche »Unabhängigkeit von der staatlichen Gewalt« bei gleichzeitigem Bekenntnis der Kirche zu »der neuen politischen Mehrheit«. Schon im Sommer 1933 bemerkte er, dass sein Hauptziel, die Abschottung des kirchlichen Bereichs, nicht zu erreichen war. Dies wurde deutlich, als es dem offen nationalsozialistisch orientierten Teil innerhalb des Protestantismus, den Deutschen Christen, gelang, aus den 28 evangelischen Landeskirchen eine Deutsche Evangelische Reichskirche mit einem Reichsbischof an der Spitze zu bilden. Dagegen formierte sich die Bekennende Kirche, und es begann der Kirchenkampf.Auch die im Unterschied zum Protestantismus innerlich geeinte katholische Kirche sah sich, wie alle gesellschaftlichen Gruppen und Organisationen, dem Machtanspruch des Nationalsozialismus ausgesetzt. Weder die Kooperationsbereitschaft des Zentrums beim Ermächtigungsgesetz noch das im Juli 1933 abgeschlossene Konkordat, mit dem der Vatikan der Hitlerregierung Respektabilität verlieh, konnte den Katholizismus davor bewahren, dass er in der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus immer mehr an Boden verlor. Der Nationalsozialismus wollte, wie Hitler im August 1933 sagte, »selbst eine Kirche werden« und als politische Religion ein neues Zeitalter begründen.Aus diesem Absolutheitsanspruch entwickelte sich einerseits die Zersetzung überkommener Strukturen und andererseits, sofern die Ausbreitung des Nationalsozialismus auf Akzeptanzgrenzen stieß, Ablehnung, Verweigerung und verschiedentlich auch Widerstand. Letzterer blieb aber in der Gesellschaft isoliert, sodass sich die Deutschen auch nicht aus eigener Kraft von ihrem Diktator befreien konnten. Die Nationalsozialisten verfolgten das Ziel einer umfassenden »Volksgemeinschaft« unter Ausgrenzung und Vernichtung aller, die sich dagegen stemmten. Jeder Jugendliche, jede Hausfrau, jeder Studierende oder Berufstätige war in einer der Organisationen erfasst, mit denen die NSDAP die gesamte Gesellschaft überzog. Damit waren unübersehbar auch gesellschaftliche Modernisierungseffekte wie der Abbau sozialer Milieus oder von Privilegien durch fortschreitende Egalisierung und durch sozialpolitische Errungenschaften verbunden. Da aber die Leistungen des Regimes mit seiner terroristischen Herrschaft und der Beseitigung von Eigenständigkeit einhergingen, ergaben sich vielfältige Konflikte. Wo die Vorbehalte gegenüber dem Totalitätsanspruch des Regimes überwogen, konnte aus der Ablehnung auch die Bereitschaft zum Widerstand erwachsen.Unter machtpolitischen Gesichtspunkten aussichtsreich war allein der militärische Widerstand. Als er sich 1938 vorsichtig formierte, war die Wehrmacht, wie die Reichswehr seit der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht 1935 hieß, allerdings schon zu weit in das NS-System involviert, als dass eine Wendung gegen Hitler ohne weiteres durchsetzbar gewesen wäre. Darin lag der Hauptgrund für die Handlungsunfähigkeit oppositioneller Generäle 1938/39 und nicht, wie noch heute oft zu hören ist, in der nachgiebigen Haltung Großbritanniens gegenüber Hitlers Politik. Der konservative Widerstand im Militär und im Auswärtigen Amt war aus westlicher Sicht auch dadurch diskreditiert, dass sich Widerstand nicht gegen die Diktatur an sich oder gegen die Verfolgung der politischen Opposition und einzelner Minderheiten oder gegen die vertragsbrüchige Hochrüstung entwickelte, sondern erst in dem Moment, in dem die Eigenständigkeit des Militärs dahinschmolz und Hitler den Angriffskrieg planen und vorbereiten ließ. Den im August 1938 zurückgetretenen Chef des Generalstabs des Heeres, Ludwig Beck, der zum Widerstand gehörte, störte vor allem, dass ein Krieg zur Lösung der »Tschechenkrise« 1938/39 in seinen Augen mit einem Fiasko enden müsste. Noch im Mai 1938 hatte er dagegen ausgeführt, »dass Deutschland einen größeren Lebensraum braucht, und zwar sowohl in Europa wie auf kolonialem Gebiet. Der erstere Raum ist nur durch einen Krieg zu erwerben.« Beck artikulierte den Konsens der Führungsschichten, wenn er die Tschechoslowakei »in ihrer durch das Versailler Diktat erzwungenen Gestaltung für Deutschland unerträglich« fand und diesen »Gefahrenherd« notfalls auch mit kriegerischen Mitteln beseitigen wollte. Doch — und das war seine Einschränkung — dürfe ein Krieg nur begonnen werden, wenn er mit Aussicht auf Erfolg geführt werden könne.Die Vorbereitung des Krieges und der Ausbau der NS-Herrschaft durch Unterordnung von Wirtschaft, Militär und staatlicher Bürokratie unter nationalsozialistische Ziele hingen aufs Engste miteinander zusammen. Eine Weichenstellung stellte Hitlers Denkschrift zum Vierjahresplan 1936 dar, in der er verfügte: »I. Die deutsche Armee muss in vier Jahren einsatzfähig sein. II. Die deutsche Wirtschaft muss in vier Jahren kriegsfähig sein.« Die vollständige Einpassung der Wirtschaft in die Erfordernisse der Aufrüstung ging auch denen zu weit, die wie Wirtschaftsminister Hjalmar Schacht sich schon vor 1933 für Hitler als Reichskanzler ausgesprochen und maßgeblich bei der Rüstungsfinanzierung bis 1936 mitgewirkt hatten. Allerdings konnte sich Schacht mit seinen Einwänden nicht durchsetzen und warnte vergeblich vor den finanziellen und wirtschaftlichen Gefahren einer alle Ressourcen erschöpfenden Aufrüstung. Hitler ließ sich dagegen von der politischen Vorgabe leiten, »den Krieg im Frieden vorzubereiten«. Dazu gehörten der Ausbau der deutschen Treibstoffindustrie, die Herstellung synthetischen Gummis und der verstärkte Abbau von deutschen Eisenerzen. Die Wirtschaft wurde — durchaus nicht immer gegen ihren eigenen Willen — auf die Zwänge der Rüstungsproduktion festgelegt. Völlig zutreffend erklärte im Dezember 1936 Hermann Göring, der Beauftragte für den Vierjahresplan: »Wir stehen bereits in der Mobilmachung und im Krieg, es wird nur noch nicht geschossen.«Schacht schied Ende 1937 als Wirtschaftsminister und Anfang 1939 auch als Reichsbankpräsident aus. Damit war einer der renommiertesten konservativen Weggenossen Hitlers aus der staatlichen Führung verdrängt. Zu weiteren Maßnahmen dieser Art, die den Zugriff der NS-Führung auf den Staat verdeutlichen, kam es im Februar 1938. Außenminister Konstantin Freiherr von Neurath wurde durch den Nationalsozialisten Joachim von Ribbentrop ersetzt. Noch wichtiger war die Entlassung Blombergs und die Schaffung des Oberkommandos der Wehrmacht. Mit diesem Schritt übernahm Hitler selbst den Oberbefehl über die gleichgeschaltete Wehrmacht. Ihm applaudierten immer mehr Offiziere, die sich mit dem Nationalsozialismus identifizierten. Aus Hitlers Sicht war ein Anfang gemacht. Nach dem Krieg gegen die Tschechoslowakei, den er für 1938 fest plante, wollte er fortfahren und die »alten Generale« durch eine »neue Führerschicht« ersetzen.Prof. Dr. Gottfried NiedhartWeiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:Achse Berlin-Rom: Partnerschaft von Hitler und MussoliniDeutschland nach 1945: Die Besatzungspolitik der SiegermächteGrundlegende Informationen finden Sie unter:Weimarer Republik: Deutschland bis 1933Herbst, Ludolf: Das nationalsozialistische Deutschland 1933-1945. Die Entfesselung der Gewalt: Rassismus und Krieg. Frankfurt am Main 1996.Hildebrand, Klaus: Das Dritte Reich. München 51995.Nolte, Ernst: Der Faschismus in seiner Epoche. Action française, italienischer Faschismus, Nationalsozialismus. Taschenbuchausgabe München u. a. 41995.
Universal-Lexikon. 2012.